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Erweiterung und Vollendung der Festung durch den Großen Kurfürsten

Kaum hatte Kurfürst Friedrich Wilhelm, der spätere Große Kurfürst (1640-88), seine Regie­rung in der Mark Brandenburg angetreten, bezog er mit seinem Gefolge das Küstriner Schloss, wenn auch nur vorübergehend, da sein Schloss in Berlin durch den Krieg in einen argen Zustand geraten war. Als es nach mehreren Monaten für die Hofhaltung zugerüstet war (1644/45), kehrte der Kurfürst wieder nach Berlin zurück. Dennoch blieb Küstrin sein Anliegen.

 

Auf der Grundlage und den Ideen des Markgrafen Hans von Küstrin fing der Große Kurfürst an, in Küstrin seine Macht aufzubauen. Hier auf dem Boden seiner Vorfahren lernte er zum ersten Male erkennen, was für eine Bedeutung eine Befestigungsanlage und eine starke Truppe, kurz: die Staatsmacht für ein Land hat. Er brauchte allerdings das Werk des Markgrafen nicht völlig umzugestalten; er erweiterte es nur bedeutend. Die Grundlage war zu gut.

 

Besonders interessant ist, dass die Festung zur Zeit des Regierungsantritts Friedrich Wilhelms, wie aus einer Grundrisszeichnung aus dem Jahre 1652 zu ersehen ist, in der Kehle der Bastion Königin, also innerhalb der Befestigung, einen Hafen gehabt hatte. Dieser hatte durch einen - später vermauerten - Kanal durch die Kurtinev: zwischen den Bastionen Königin und Kronprinz (Hoher Kavalier) Verbindung mit dem Festungsgraben und damit zur Warthe gehabt.

 

Erweiterung der Festung Küstrin

Unter Friedrich Wilhelm begann nun die zweite mächtige Bauperiode für die Festung Küstrin. Im Jahre 1643 wandte er sich an die Landstände in Brandenburg mit der Forderung, ihm „in der äußersten Notwendigkeit unter die Arme zu greifen." Die Stände des Kreises Sternberg und die Amtshauptmänner zu Lebus und Fürstenwalde erhielten den Befehl, tausend Fuhren Steine an die Oder zu fahren, andere Kreise mussten Mannschaften und Proviant schicken, die mittelmär­kischen Städte mussten Knechte und Pferde zum Heranfahren von Bauholz entsenden, und schließlich hatten 1650 die neumärkischen Stände Bohlen zur Verschalung der Festung zu lie­fern. Von einer Bezahlung ist nirgends die Rede, es war ein großes Gemeinschaftsopfer, und der es verlangte war ein Mann vom gleichen Geiste wie der Erbauer der Festung, Markgraf Hans. Ein Jahrhundert lag zwischen ihnen, aber das Wirken des einen setzte das des anderen fort, als hätte er diesem das Werkzeug soeben aus der Hand genommen.

 

Baugefangener wurden zur Arbeit verpflichtet

Nach dem großen Aderlass des Dreißigjährigen Krieges herrschte zu der damaligen Zeit ein ab­soluter Menschenmangel. Ganz Deutschland hatte nur noch eine Bevölkerung von vier Millio­nen, zwölf Millionen Tote hatte der Krieg allein in Deutschland gefordert. So kam es, dass unter der Regierungszeit des Großen Kurfürsten zum ersten Mal und von da an ständig sogenannte „Baugefangene" zur Festungsbauarbeit herangezogen wurden. Mit dieser Arbeitsstrafe wurden anfänglich vor allem Ehebruch, schwerer Diebstahl, Gotteslästerung und ähnliches gesühnt. Auch Frauen wurden „zu der Arbeit in Cüstrin, zu der sie am füglichsten zu gebrauchen sind," verurteilt. Die Gefangenen unterstanden der Strafgewalt des Festungsgouverneurs und waren im Stockhaus untergebracht. Später einmal, unter dem praktischen König Friedrich Wilhelm I., erlebte das Strafarbeitssystem eine ungeahnte Blüte. Für allesmögliche, vor allem aber für Ver­gehen im Staatsdienst, militärisch oder zivil, lautete der Spruch: ,,An die Karre nach Spandau" oder nach Küstrin.

 

Wie unter dem Markgrafen Hans, so zogen sich auch unter dem Großen Kurfürsten die Fe­stungsbauarbeiten fast durch die ganze Regierungszeit hin, und zwar zuerst unter dem Baumei­ster Tielemann Jungblut, an dessen Stelle im Jahre 1667 der Niederländer Cornelius Ryckwaert trat. Ryckwaert erhielt vom Kurfürsten in Anerkennung seiner Leistungen sowohl bei der Fe­stung Küstrin als auch an anderen Plätzen der Neumark - er ist unter anderem der Erbauer der Schlösser Sonnenburg und Schwedt - ein Wohnhaus in Küstrin zugewiesen.

 

Ausbau der Bastionen

Unter der Amtszeit des Oberhauptmanns (Gouverneurs) Christian Albrecht Graf zu Dohna (1657- 77) begann man im Jahre 1662 mit der Erweiterung der Brustwehren zwecks bequeme­rer Aufstellung der Geschütze, die vordem nur wenig Raum zur Verfügung hatten. Gleichzeitig wurden unter einigen Wällen bombensichere Gewölbe und Schießscharten und Dampflöcher angelegt. Obgleich über diese Änderungen keine genauen Nachrichten vorliegen, wird ange­nommen, dass es sich um den Ausbau der Flanken der Bastionen handelt, die nach alten Plänen ursprünglich in italienischer Bauweise zurückgezogen waren, so dass zwischen den seitlichen Ausläufen der Bastionen und den Kurtinen ein Zwischenraum war, der nun ausgebaut wurde.

 

Anschließend an diese Arbeiten wurde im Jahre 1672 (1677?) neben der Mühlenpforte die Ba­stion Brandenburg angelegt, die das sechste Bollwerk der Festung darstellte. Dadurch erhielt die Front nach der Oderbrücke eine bessere Verteidigungsmöglichkeit. Diese Bastion, der spä­tere „Kattewall", ist völlig aus Ziegelmauerwerk auf Pfahlrosten errichtet, jedoch nie mit Kase­matten ausgerüstet gewesen.

 

Über die weiteren Befestigungsanlagen besteht keine eindeutige Klarheit, wann sie angelegt worden sind. Das Hornwerk-» in der Umgebung der einstigen Knabenmittelschule soll nach der einen Meinung 1656 vom Großen Kurfürsten, nach einer anderen Meinung erst in den Jah­ren 1688/89 unter dem Kurfürsten Friedrich III., nachmaligem ersten König von Preußen (1688-1713 ), erbaut worden sein. Da aber das Horn werk schon in einem Festungsplan von 1652 zu finden ist, scheint keine der beiden Meinungen richtig zu sein. Es könnte aber angenommen werden, was auch die Kürze der in den Urkunden genannten Bauzeit wahrscheinlich erschei­nen lässt, dass es sich in den Jahren 1688/89 um einen förmlichen Umbau handelte, so dass man wohl doch davon ausgehen kann, dass das Hornwerk spätestens unter dem Großen Kurfürsten angelegt worden ist. Der Ravelin Christian Ludwig (Schweinekopf) scheint hingegen erst unter dem Kurfürsten Friedrich III. entstanden zu sein. Über die sogenannte „Stadt-Enveloppe"341, einen gedeckten Weg mit den Waffenplätzen - Redans 2 bis 12 - , sind keine näheren Nach­richten vorhanden. In einem Bericht aus dem Jahre 1709 ist aber beiläufig von einem gedeckten Weg um die halbe Stadt und von zugehörigen Waffenplätzen und Traversen»: die Rede, so dass der Bau gegen Ende der Regierungszeit des Großen Kurfürsten oder aber unter Friedrich III. er­folgt sein muss.

 

Verstärkung der Besatzung

Der Große Kurfürst vermehrte die Besatzung der Festung erheblich und ließ sich von der Stadt die kleine Kirche als Garnisonkirche abtreten (seit 1870 Herberge zur Heimat). Die Trinkwas­serversorgung der Festung sicherte er durch den Bau der „Wasserkunst" (Schöpfwerk) vor der Mühlenpforte an der Oder, die das Wasser in hölzernen Röhren durch die Straßen leitete. Von nun an galt Küstrin, das bereits von der Natur durch Sumpf und Wasser vorzüglich geschützt war, als eine der stärksten Festungen Deutschlands. Historiker berichten, dass „nach aller Ur­teil, denen die Natur und die Anlage der Veste bekannt ist, Cüstrin in Deutschland nicht ihres­gleichen hat". Man sprach von der „formidablen Veste Küstrin."

 

Hier in Küstrin fand der Große Kurfürst seinen ersten treuen Helfer und Freund, den Küstriner Festungskommandanten Oberst Konrad von Burgsdorff (geb. 1595; 1638-52), der schon sei­nem Vater, dem Kurfürsten Georg Wilhelm, gedient hatte und Hillebrandt von Kracht als Fe­stungskommandant nachgefolgt war. Auf dem Schlosshof erinnerte ein Bronzerelief an ihn.

 

Dem Großen Kurfürsten sagte es nicht zu, dass seine Festungen von Truppen besetzt waren, die dem Kaiser mitgeschworen hatten. Er befahl daher, dass diesen Truppen der Eid der Treue ge­gen ihn allein abgenommen werden solle. So manch einer sperrte sich dagegen, Burgsdorff war der erste Festungskommandant in der Mark Brandenburg, der den Großen Kurfürsten bei sei­nem Regierungsantritt als militärischen Oberbefehlshaber anerkannte und ihm schon am 30. Januar 1641 mit seiner Truppe den Treueeid leistete. Diese persönliche Vereidigung der ge­samten Garnison auf den Souverän am Marktplatz in Küstrin ist die Geburtsstunde des stehen­den brandenburgisch-preußischen Heeres.

 

Die Burgsdorff´er Waffenbrüder

Im Januar 1642 übertrug der Kurfürst Burgsdorff das Oberkommando über alle Festungen in der Mark Brandenburg. Zwei Monate später ernannte er ihn zum Oberkammerherrn, das war das vornehmste Hofamt, das Burgsdorff automatisch zum ranghöchsten Mitglied des Gehei­men Rates machte. Am 20. Oktober 1643 wurde in Küstrin ein Waffenbrüderschaftsvertrag zwi­schen dem Kurfürsten und dem Oberkammerherrn von Burgsdorff eigenhändig unterzeichnet und besiegelt. Was jeder der beiden Waffenbrüder - so bestimmte der Vertrag - an Büchsen, Pistolen und Degen sein eigen nenne, das solle nach seinem Tode - ,,welchen doch der viel gü­tige Gott aus Gnaden verhüten wolle!" - dem anderen anheimfallen. Nur wenn der Kurfürst männliche Leibeserben hinterlassen würde, sollte der Vertrag für ihn nichtig sein. Burgsdorff, der sein ganzes Leben für das Haus Brandenburg durch dick und dünn gegangen ist, ist dann aus Gründen, die hier nicht näher dargestellt werden sollen, weil sie mit Küstrin in keinem Zu­sammenhang stehen, kurz vor seinem Tode am 11. Februar 1652 zu Unrecht von allen seinen Ämtern abberufen worden.

 

Oberst Ehrentreich von Burgsdorff (geb. 1603, gest. 1656), der Bruder von Konrad von Burgs­dorff, war von 1651-56 Gouverneur von Küstrin. Ihm folgte als Gouverneur von 1657-77 der kurfürstlich-brandenburgische General der Infanterie und Feldzeugmeister Christian Albrecht Graf zu Dohna (geb. 1621 im Schloss Cüstrin, gest. 1677). Da Küstrin auf Grund des Artikels 2 des Rezesses der Landesversammlung zu Küstrin vom Jahre 1635 zur Regierungshauptstadt der Neumark geworden war und an der Spitze der Regierung der jeweilige Gouverneur der Festung stehen sollte, wurde Dohna Kanzler der ersten Regierung nach dem genannten Landtag.

 

Im Frühjahr 1672 entstand sein Regiment mit 8 Kompanien aus Werbungen und Abgaben der Garnison Küstrin, dessen Chef er bis 1676 war. Eine Kompanie des Dohnaschen Regiments wurde ständig aus Küstrin herangezogen und musste in Berlin das sogenannte Syburgische Bollwerk, etwa auf dem Gelände des Stadtbahnhofes Alexanderplatz, besetzen. Zur Zeit Fried­richs des Großen stand das Regiment als Musketier-Regiment Nr. 4 in Ostpreußen. Ferner lag hier in Küstrin seit 1673 das Regiment von der Marwitz, dessen Kommandeur Oberst Christoph Friedrich von Bismarck unter Kurfürst Friedrich III. im Jahre 1690 Kommandant von Küstrin wurde und hier als Generalmajor am 24. Dezember 1704 starb.

 

Die beiden Söhne von Christian Albrecht Graf zu Dohna waren die beiden kurfürstlich-bran­denburgischen Obristen Carl Emil Graf zu Dohna (geb. 1658), Obrist eines Regiments zu Fuß, und Dietrich Graf zu Dohna (geb. 1659), Obrist eines Dragoner-Regiments, dessen Chef er seit dem 4. Oktober 1682 war (1758 wurde dieses Regiment Kürassier-Regiment Nr. 4). Sie fielen beide an der Spitze ihrer Regimenter - in der vordersten Front der großen Reichsarmee vor Ofen36) fechtend - am 3. Juli 1686 (Carl Emil) bzw. am 27. Juli 1686 (Dietrich). In der Gruft der Pfarrkirche, in der schon Markgraf Hans seine letzte Ruhestätte gefunden hatte, wurden sie ne­ben ihren Eltern beigesetzt. Es war ihr Wunsch, in heimatlicher, brandenburgischer Erde zu ruhen.

 

Der Page der Prinzessin Marie Eleonore

Generalleutnant Joachim Ernst von Goertzke (geb. 1611), der nach dem Tode von Dohna im Jahre 1677 das Gouvernement der Festung Kü­strin übernahm, verstarb 1682. Er hatte seine Laufbahn als Page der Prinzessin Marie Eleo­nore, der Schwester des Kurfürsten Georg Wilhelm, begonnen. Als seine Gebieterin 1620 sich mit dem Schwedenkönig Gustav Adolf verheiratete, ging er in ihrem Gefolge nach Stockholm, wo er bald in die Leibwache des Königs aufgenommen wurde und in dessen nächster Umge­bung in allen Feldzügen blieb. Nach dem Westfälischen Frieden 1648 schied er aus dem schwedischen Dienst und kehrte in sein Heimatland zurück. Im Jahre 1656 trat er in den kurbranden­burgischen Dienst. In den Kriegen des Großen Kurfürsten gegen Polen, Schweden und Frank­reich zeichnete er sich als umsichtiger, tapferer Führer der Reiterei aus. Bei Fehrbellin-n war er, neben Froben, Derfflinger und dem Prinzen von Hessen-Homburg, unter den besonderen Hel­den des Tages. Seit jenem Tage nannte ihn der Große Kurfürst seinen „Paladin". Er belohnte seinen nunmehrigen Generalmajor von Goertzke u. a. damit, dass er ihn zum Chef und Inhaber dreier Regimenter (Fußvolk, Reiterei und Dragoner) ernannte. Eine solche Ernennung war nicht nur eine Ehrung, sondern war mit bedeutenden Einkünften verbunden; denn der Chefei­nes Regiments erhielt zur Unterhaltung desselben eine Pauschalsumme, und was er davon er­übrigte, galt als sein persönlicher Gewinn.

32) Kurtine (Courtine) ~ Teil eines Walles, der zwei Bastionen verbindet und von diesen beherrscht wird.

33) Hornwerk > Sonderform einer Bastion. wobei statt der Bastionsspitze zwei vorgeschobene .,Hörner--, die sich gegenseitig dek­ken, verwendet werden.

34) Enveloppe ~ durchgehende Verteidigungslinie, die durch Wall und Graben sturmfrei ist und einem Einzelwerk oder dem Hauptwall vorgelagert ist.

35) Traverse ~ Schulterdeckung; begünstigt abschnittsweise Verteidigung.

36) Ofen > alter deutscher Name von Buda, des Westteiles von Budapest. In dem Großen Türkenkrieg (1683-99) belagerten die Türken 1683 Wien, wurden aber abgewiesen. Entsatzschlacht am Kahlenberg unter Herzog Karl V. von Lothringen. 1686 wurde Ofen erobert (Prinz Eugen) und die Türken aus Ungarn vertrieben. 1699 kam es zum Frieden mit den Türken zu Karlo­witz. Der letzte große Vorstoß der Türken gegen Europa war gescheitert.

37) Der Große Kurfürst besiegte am 18. Juni 1675 die Schweden bei Fehrbellin und gewann vorübergehend Vorpommern. Es han­delte sich um den seit 1672 andauernden „Holländischen Krieg" Frankreichs, Schwedens und Englands gegen die Nieder­lande, Österreich, Spanien und Brandenburg, der durch den Frieden zu Nimwegen 1678 (Verhandlungen bis 1679) beendet wurde.

 

700 Jahr Feier

"Vor 700 Jahren geboren, Zum Fischerdorf erkoren, Wuchst Du zur Stadt empor, Mit Festungswall und Tor.

Trotztest der Feinde Jeglichem Stoße,

Es weilte in Dir

Friedrich der Große.

So rollten Jahrhunderte Über Dich hin,

Heut bist Du umjubelt,

Du altes, erblühtes Küstrin."