Überlassung der Festung an die Schweden

Nach dem anfänglichen Waffenglück der kaiserlichen Feldherren landete am 6. Juli 1630 Schwedens König Gustav II. Adolf mit 14 000 Mann und 145 Schiffen auf der Insel Usedom, die die Odermündung beherrschte. Vierzehn Tage später besetzten die Schweden das pommersche Stettin. Da die protestantischen Fürsten des Reichs sich nicht einigen konnten, ob sie weiter zum Kaiser halten oder mit den Schweden ziehen sollten, begannen die schwedischen Opera­tionen im Jahre 1630 mit der Einnahme der Stadt Gartz an der Oder. Von hier aus verfolgten sie den kaiserlichen Feldmarschall Graf von Schauenburg, der unter Verheerung des Landes in Richtung auf Frankfurt/Oder sein Heer zurückzog. Auf dem „Cüstrinschen Damm", ungefähr da, wo später Kietz lag, stellte sich ein kaiserliches Korps, das aus dem Wallensteinschen, dem Goetzschen und dem Altsächsischen Regiment bestand, zur Schlacht und erlitt eine vernich­tende Niederlage. Von nun an stand Küstrin eine Zeitlang im Brennpunkt der kriegerischen Ereignisse, die durch die obengenannte Schlacht bei Küstrin eingeleitet wurde.

 

Gustav Adolf von Schweden, der große Teile seines Heeres zur Verfolgung des Gegners in die Gegend von Magdeburg gesandt hatte, brauchte dringend einen festen Platz, der seine Rück­zugslinie deckte. Er forderte daher von seinem Glaubensgenossen und eigentlich auch Ver­bündeten, dem Kurfürsten Georg Wilhelm, seinem Schwager,27 die Übergabe der Festungen in Küstrin, Spandau und Peitz. Der Kurfürst, in seiner Politik stets schwankend, berief sich auf seine plötzlich erkannte Pflicht gegen Kaiser und Reich, wollte es aber auch mit den Schweden doch nicht ganz verderben. Deshalb wies er am 4. Januar 1631 den Festungskommandanten an, in alle Zukunft des Königs Armee ungehindert vorbei zu lassen. Den Kaiserlichen aber musste Hillebrandt von Kracht aus den ohnehin dürftigen Beständen der Küstriner Speicher fünfzig Wispel Getreide verkaufen. Besorgt schrieb Kracht an seinen Landesherrn: ,,Die Schweden hal­ten mich für gut kaiserlich und die Kaiserlichen für gut schwedisch."

 

Eine solche Schaukelpolitik konnte selbstverständlich auf die Dauer nicht gut gehen. Gustav Adolf machte daher kurzen Prozess, sandte den Obristen Speerreuter mit drei Kompanien nach Küstrin und ließ zwei Redoutenz und einen Halben Monde29 vor der Oderbrücke aufwerfen. Von einer Belagerung ließ er aber ab, ,,weil es eine harte Nuss wäre, sie aufzubeißen." Küstrin war zwar brandenburgisch geblieben, hing aber auf Gedeih und Verderb von dem guten Willen der Schweden ab. Die Brücke über die Oder, die Verbindung mit dem Mutterland, hatten land­fremde Truppen in der Hand, Oder und Warthe beherrschten die sogar mit Kanonen bewaffne­ten Kähne der Schweden.

 

Die Schweden ziehen in die Festung

Georg Wilhelm machte eine Konzession nach der anderen. Er verpflichtete sich, dem Feind, also den Kaiserlichen, die Festung zu verweigern, den Schweden gestand er zu, auf beiden zur Festung führenden Dämmen Redouten anzulegen und „mit Volk" zu besetzen sowie oberhalb und unterhalb Küstrins Brücken über die Oder zu schlagen und zu befestigen.

 

Am 28. April 1631 drängte Gustav Adolf nochmals deutlich auf eine Überlassung der Festun­gen. Daraufhin räumte Georg Wilhelm mit Vertrag vom 4. Mai 1631 den Schweden die Festung Spandau ein. Küstrin blieb vorläufig noch frei, musste jedoch am 12. Juni 1631 ebenfalls in schwedische Hände gegeben werden.

 

Die Schweden gingen sofort daran, die Festungsanlagen zu verstärken. Bereits 1631 entstanden je ein Halber Mond vor dem Berliner Tor (vermutlich der Ravelms» Albrecht) und vor der Kiet­zer Pforte (vermutlich der Ravelin August Wilhelm). In den Jahren 1634-40 wurde der von dem schwedischen Obristen Speerreuter angelegte Halbe Mond vor der Oderbrücke in der Langen Vorstadt zu einer Schanze (vermutlich Brückenkopf mit zwei Flügellünetten-u ausgebaut.

 

Im Jahre 1636 schloss Georg Wilhelm zu Prag einen Sonderfrieden mit dem Kaiser und trat zu dessen Fahnen über. Während die Besatzungen von Spandau, Peitz und Driesen den vom Kur­fürsten verlangten Eid auf den Kaiser ablegten, weigerte sich der Kommandant von Küstrin, da er nur einem Herrn, dem Kurfürsten von Brandenburg, diene, nicht aber dem Kaiser.

27) Gustav Adolf von Schweden war mit der Schwester des Kurfürsten Georg Wilhelm, der Prinzessin Marie Eleonore, verheira­tet.

28) Redoute ~ geschlossene Schanze, die aus ausspringenden Winkeln zusammengesetzt ist.

29) Halber Mond ~ halbmondförmige Schanze.

30) Ravelin = vor der Kurtine liegendes, selbständiges Bollwerk mit drei-oder fünfseitigem Grundriß, das allseitig durch Gräben geschützt ist, jedoch keinen Kehlwall aufweist und somit von der Kurtine aus beherrscht wird. Der Ravelin bestreicht den Raum bzw. Graben vor den Bastionsfacen.

Die Festungsbauwerke „Albrecht" und „August Wilhelm" werden nicht einheitlich als Ravelin, sondern teils auch als Lünette bezeichnet.

31) Lünette= im allgemeinen fünfeckiges Werk mit zwei unter stumpfem ausspringenden Winkel zusammenstoßenden längeren Linien (Facen) und zwei daran angehängten, das Seitengelände bestreichenden kurzen Linien (Flanken) und Kehlabschluß.