Die Revolution zu Königsberg

Nach dem Tode von Markgraf Hans, der keine männlichen Erben hinterließ, erfolgte die Wie­dervereinigung der Neumark mit den kurfürstlichen Landen. Kurfürst Johann Georg, der von 1571-98 regierte, soll die Festungswerke erweitert haben, man spricht sogar davon, dass der Fe­stungsbau erst zu seiner Zeit fortgesetzt und vollendet worden sei. Nähere Angaben hierüber finden sich nicht, so dass man wohl mit anderen Schriftstellern davon ausgehen kann, dass der Festungsbau noch zur Zeit von Markgraf Hans im Jahre 1568 beendet wurde. Es wurden jetzt hauptsächlich Ausbesserungsarbeiten an der Festung vorgenommen. So ließ Johann Georg das Hornwerk befestigen und zur besonderen Deckung des Weges zur Kurzen Vorstadt, der heuti­gen Neustadt, zwei Schanzen anlegen, die späteren Redans25 Nr. 7 und 8. Obwohl es nicht mehr nachweisbar ist, kann doch angenommen werden, dass unter diesem Fürsten die sogenannten „Schälungen" angelegt wurden, die sich wie ein starker Zaun um die gesamten Festungswerke zogen und zum Schutz gegen Unterspülung durch das Wasser dienten.

 

Dem Kurfürsten zur Seite stand seit 1578 der Feldzeug- und oberste Kriegsbaumeister Graf Ro­chus Quirin von Lynar. Ober-Hauptmann (Gouverneur) der Festung war der im vorigen Kapitel schon genannte Oberst Hans von Buch der Ältere, dem der kurbrandenburgische Oberst Hans von Buch der Jüngere folgte (1593-1610).

 

Küstrin als Verhandlungsort

Küstrin zählte für den Kurfürsten Johann Georg zu den repräsentativen Städten seines Landes. Im September 1586 hielt er deshalb hier die Besprechung über die Aufrechterhaltung des Pro­testantismus ab, zu der u. a. erschienen der Pfalzgraf Casimir, der Kurfürst Christian von Sach­sen, der Herzog Wilhelm von Sachsen-Altenburg, Heinrich Julius von Braunschweig, Johann Friedrich und Barnim von Pommern sowie der Fürst Joachim Ernst zu Anhalt. Diese illustren Gäste unterhielt man mit einem Feuerwerk, das runde sechstausend Gulden verschlang. Die Bewirtung der Gäste kostete weitere bare achttausend Gulden.

 

Im Jahre 1589 ereignete sich der erste Kriegsfall für die Festung. Die Festung Küstrin erhielt den für damalige Zeiten unerhörten Auftrag, eine zu Königsberg/Neumark ausgebrochene Stadtre­volution niederzuschlagen. Hier hatte sich die Bürgerschaft gegen den Bürgermeister gestellt, der eine ausgesprochene Vetternwirtschaft eingeführt hatte. Der Streit war um einen Teil der Feldmark entbrannt. Der Magistrat der Stadt floh mitten in der Nacht nach Küstrin und rief den Beistand der neumärkischen Regierung an. Der Kurfürst beauftragte nun den Regierungspräsi­denten von Thisbach, die strengsten Maßregeln gegen die Empörer zu ergreifen. Es wurde ein regelrechter Kriegszug organisiert, als ob es sich gegen eingedrungene Feinde zu wehren gelte. Wie für einen Krieg mussten die Bürgerschaften von Küstrin und Bärwalde jeden zehnten Mann zum Landesaufgebot stellen. Den militärischen Kern der Expedition stellten jedoch die Reiter und das Fußvolk der Küstriner Besatzung. Am Abend des 2. Juni 1589 setzte sich das Aufgebot von dem Sammelplatz Bärwalde aus in Marsch und traf um 2 Uhr nachts vor dem offenstehen­den Bernickower Tor in Königsberg ein. Die Küstriner Reiter sprengten durch die menschen­leeren Straßen und feuerten ziellos ihre Schusswaffen ab, denn die Bevölkerung hatte sich eines Besseren besonnen und ihre Klagen in 24 Punkten zu Papier gebracht. Nach dieser „glorrei­chen" Eroberung wurden 18 Rebellen verhaftet und vier von ihnen über Küstrin nach Berlin ge­bracht, womit der Feldzug sein Ende gefunden hatte. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass am 11. Dezember 1589 eine Kommission zusammentrat und über die 24 Klagepunkte be­riet, wobei nicht etwa der Bürgermeister Christoph Göbel, sondern die Bürgerschaft Recht er­hielt. Der erste kriegerische Einsatz der Festung war daher zu Unrecht erfolgt.

 

Die Pest wütet in Küstrin

Im letzten Lebensjahr Johann Georgs, dem Jahre 1597, wütete zum dritten Male die Pest in der Neumark und in Küstrin, wo sie bereits 1582 und 1583 ausgebrochen war. Bereits im Jahre 1580 hatte eine eigenartige Krankheit, die man den „spanischen Pipp" nannte, das Land heimge­sucht. Die Menschen wurden von einem Fieber befallen, litten an Katarrh, Husten und heftigen Brustschmerzen. Zu allem Unglück stellte sich im Pestjahr 1597 auch noch die rote Ruhr ein und, wie immer bei Ausbruch von Seuchen, eine Teuerung.

 

Das Militär als Stütze der Festung

Schon jetzt hatte es sich gezeigt, dass es nicht nur eines einmaligen Opfers bedarf, um eine Fe­stung zu erbauen, sondern eines ständigen, täglich sich wiederholenden, um in einer Festung zu leben. Küstrin war arm. Zu dieser Stadt gehörten keine Dörfer. Die Brüche und Sümpfe waren tot, Wälle und Gräben schlossen die Stadt ab, verhinderten die Ausdehnung, hielten Handel und Wandel der Stadt fern, und auf Gedeih und Verderb war Küstrin an das Militär gebunden. Da man Kasernen noch nicht kannte, wurden die Landsknechte, die „auch mit Weib und Kin­dern behaftet sind", in Bürgerquartiere gelegt und beengten die Bürger, deren Wohnungen nur klein waren, weil der Raum innerhalb der Wälle beschränkt ist, natürlich sehr. In einem Schrei­ben aus dem Jahre 1599 an den Kurfürsten Joachim Friedrich (1598-1608) klagt die Stadt unter anderem, dass die Bauern der anliegenden Dörfer ihr Getreide nach Berlin bringen und nicht auf den Markt nach Küstrin. Die Stadt klagt, dass die Kietzer Pforte nur morgens und abends auf je zwei Stunden geöffnet sei, damit die Kietzer Fische in die Stadt bringen können. Die Stadt klagt, denn sie spürt es, dass sie die Wälle, Bastionen und Kavaliers auf ihren eigenen Schultern trägt.

 

Aber auch unter der Regierung Joachim Friedrichs (1598-1608) geschah für Festung und Stadt ebenso wenig, wie unter seinem Nachfolger Johann Sigismund (1608-1619).

25) Redan (der) = aus gerader Wallinie hervortretendes. gewinkeltes Wallstück zur Flankierung der Linie.