Pommernkastell

Germanen und Slawen in der Warthemündung

Die Gegend um Küstrin war einst rein germanischer Siedlungsraum. Um das Jahr 100 n. Chr. war sie Grenzland zwischen den germanischen Stammesgebieten der Burgunder, Semnonen und Rugier. Als die germanischen Stämme um 500 bis 600 ihre Siedlungsgebiete verließen und nach Westen abwanderten, sickerten aus dem Osten Slawen in den menschenarm gewordenen Raum ein, die sich im Laufe der Jahre mit der germanischen Restbevölkerung mischten. Im 9. Jahrhundert wurde das Gebiet nördlich der unteren Warthe dann ein Zankapfel zwischen den Pommern, die vom Norden her eindrangen, und den Polen, die nun den Süden beherrschten. Es fanden jahrhundertelange Kämpfe insbesondere um den Wartheübergang bei Zantoch statt.

 

Die Pommern haben in der Nähe der Warthemündung bei Küstrin - auf Urkunden des Jahres 1232 als „Cozsterine", 1238 als „Custrina" und 1235 und 1259 als „Custrin" bezeichnet - wahr­scheinlich ein Kastell» mit Gräben, Wällen und Palisaden» errichtet, aber das ist nicht nachge­wiesen. Es kann sich auch um eine von den Polen an den Schiffahrtswegen der Oder und Warthe errichtete Zollstelle handeln, weil in der ältesten Urkunde von 1232, die über Küstrin berichtet, von dem Zoll die Rede ist; aber auch das ist nicht mehr feststellbar.

 

Erste urkundliche Erwähnung Küstrins

Das Jahr 1232 wird als Gründungsjahr der Stadt Küstrin bezeichnet, obwohl schon vordem, wahrscheinlich über hundert Jahre, eine Ansiedlung bestanden hat. In diesem Jahr überließ der Polenfürst Boleslaw V., auch Herzog Ladislaus bzw. Wladislav von Kalisch genannt, den Landstrich zwischen Warthe und Mietze! von der Oder bis Massin, das sogenannte Land Küstrin, dem Templerorden», der im Lande Lebus bereits große Besitztümer hatte. Der Orden erhielt die Erlaubnis, es mit Bauern zu besiedeln und einen Markt nach deutschem Recht darin anzulegen. Damit wurde der Ort an den beiden Strömen wieder deutsch.

 

Von dem Templerorden wurde ein „locator", ein im Siedlungswesen erfahrener Mann, beauf­tragt, Straßen und Plätze abzustecken und die zur Bebauung bestimmten Flächen in Baustellen und Äcker zu parzellieren. Den ankommenden Siedlern wurde das zum Bau erforderliche Holz unentgeltlich überlassen.

 

Wie bei allen ostdeutschen Kolonistenstädten bildete der Marktplatz den Mittelpunkt des ent­stehenden Stadtkörpers. Von ihm aus gingen die Straßen geradlinig ab, schnitten sich recht­winklig und waren im Verhältnis zu der damaligen einstöckigen Bauweise der Häuser breit und hell. Die Anlage der Stadt war großzügig und weitschauend genug, um der späteren Entwick­lung als Grundlage dienen zu können.

 

Der Marktplatz als Zentrum des kulturellen Lebens

Es wurden das Rathaus und die Kirche erbaut. Das Rathaus diente doppeltem Zweck. Mitten auf dem Markt stehend, war das Erdgeschoß des Rathauses zu einem Schauhaus ausgebaut, in dem die Händler ihre Ware feilzubieten hatten. Nach Bedarf fanden sich später noch Verkaufsstände dazu, die in nächster Nähe des Rathauses zu stehen hatten. Wir sehen also die noch heute ange­strebte klare Trennung zwischen Wohn- und Geschäftsstraßen und darüber hinaus schon vor rund sieben Jahrhunderten deutlich ausgeprägt, das noch heute gültige Prinzip der Markthalle. Hier war nichts von „dumpfem Mittelalter", das sich zur gleichen Zeit über dem übervölkerten Süden und Westen Deutschlands ausbreitete, zu spüren, hier wurde nüchterne und klare Kul­turarbeit geleistet.

 

  1. Kastell= im Altertum und Mittelalter eine kleine Bestigungsanlage.

  2. Palisaden= oben zugespitzte Hindernispfähle von mehr als Mannshöhe. Als Palisadenwand auch mit Scharten versehen.

  3. Templerorden. Tempelherren. Templer= einer der drei großen geistlichen Ritterorden (Johanniterorden, Templerorden, Deutscher Orden). gegründet 1119 von Hugo von Payens zum Schutz der Jerusalempilger. Die Templer gelobten Keuschheit. Gehorsam, Armut und den Kampf gegen die Ungläubigen; später kam noch der Hospitaldienst dazu. Seitdem er seine Auf­gabe im Heiligen Land nach dem Fall von Akkon 1291 verloren hatte, wurde er bald mißliebig und ketzerischer Gedankenleh­ren verdächtigt. Papst Klemens V. löste ihn 1312 auf. Sein reiches Vermögen beschlagnahmte in Frankreich großenteils die Krone. im übrigen Abendland fiel es - mit Ausnahme Portugals - an die Johanniter.